Paderborn. Der Schotte John Shepherd-Barron müht sich im Frühjahr 1965 redlich. Mit einem Scheck hetzt er zu seiner Hausbank, um Geld für das bevorstehende Wochenende abzuholen. Doch der 40-Jährige kommt zu spät – um lediglich eine Minute. Die Bank hat bereits geschlossen. Der Ärger darüber lässt den Manager einer Firma für Banknoten-Zählanlagen nicht los. Selbst abends in der Badewanne grübelt er darüber weiter – und hat dann einen Einfall, der das Bankwesen für immer verändern sollte: Warum kann nicht eine Maschine das Geld ganz unabhängig von den Öffnungszeiten auswerfen?
Pate standen Shepherd-Barron bei dieser Idee die Schokoladen-Automaten, die damals an den Bahnhöfen zu finden waren. Gegen ein besonderes Geldstück warf der Automat die Süßigkeit aus. Nach Shepherd-Barrons Verständnis sollte man in einen Geldautomaten einen Scheck einwerfen und dafür dann das Geld bekommen. Mit diesem Grundgedanken tüftelt er zwei Jahre an seiner Idee. Am 27. Juni 1967 nimmt die Barclays-Bank schließlich in der Kleinstadt Enfield in der Nähe von London den ersten von ihm entwickelten Geldautomaten in Betrieb.
Mit heutigen Geldautomaten hatte Shepherd-Barrons Erfindung damals nur wenig gemein, denn diese verfügten weder über eine Computeranbindung noch über eine Möglichkeit, Karten mit Magnetstreifen zu lesen. John Shepherd-Barron setzte vielmehr auf Radioaktivität. Denn die Schecks, die man in seinen Geldautomaten einführte, waren mit dem schwach radioaktiven Kohlenstoff-Isotop 14C behandelt. So konnten Informationen auf dem Scheck gespeichert werden. Die Besitzer des Schecks identifizierten sich am Automaten anschließend mit einer persönlichen Geheimzahl. Ausgezahlt wurde der Nennbetrag des Schecks, zur damaligen Zeit maximal zehn britische Pfund.
Trotz dieser kleinen Einschränkungen wurde Shepherd-Barrons Erfindung zu einem Exportschlager, der es unter anderem in die Schweiz und nach Amerika schaffte – wenn auch nur in geringer Stückzahl. Mit der Erfindung der Magnetkarte trat der Bankautomat schließlich Mitte der 1970er Jahre seinen nicht zu stoppenden Siegeszug rund um den Globus an. Weltweit sind heute rund zwei Millionen Geldautomaten in Betrieb. Maßgeblich beteiligt an der Verbreitung vor allem in Deutschland war das Paderborner Unternehmen Nixdorf, heute Diebold-Nixdorf.