Paderborn. Rund ein Jahr ist vergangen, seitdem die Briten für einen Austritt aus der EU gestimmt haben. Zwei weitere Jahre haben sie nun Zeit, ebendiesen nachzuverhandeln, bis dahin soll das Brexit-Verfahren abgeschlossen sein. Doch wohin geht die Reise? Steht ein harter oder softer Brexit bevor – und was bedeuten diese Begriffe? Und vor allem: Wo steht OWLs Mittelstand dabei?
Um diese Fragen, um Zukunftsszenarien, konkrete Auswirkungen und Perspektiven ging es jetzt im Heinz Nixdorf Museums-Forum. Hierhin hatte die Industrie- und Handelskammer OWL gemeinsam mit der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO zum Vortrags- und Talkabend geladen, um Licht ins Dunkel der immer noch undurchsichtigen Brexit-Verhandlungen, besonders aber deren Folgen für die heimische Wirtschaft zu bringen.
Dieser fand im Rahmen der IHK-Begegnungswoche „Ostwestfalen meets Great Britain“ statt. Zu der Veranstaltung waren neben deutschen Experten, wie dem Referatsleiter EU-Politik der DIHK Brüssel Dr. Mathias Dubbert, auch zahlreiche britische Gäste wie Tony Sims von der britischen Botschaft Berlin oder dem Paderborner Infanteriegeneral Mike Elviss geladen.
Konsens an diesem Abend der Experten und Unternehmer: Die Unsicherheit ist auch ein Jahr nach dem Brexit-Referendum groß – und das führt zu wirtschaftlicher Zurückhaltung.
Durch den Abend führte der renommierte Journalist der Süddeutschen Zeitung, Dr. Marc Beise. Er versuchte, direkt zu Beginn der Veranstaltung den Gästen Mut zu machen und in die Zukunft zu blicken: „Heute ist man glücklicherweise in einer ganz anderen Stimmung, als noch vor einem Jahr.“ Der Leiter der Wirtschaftsredaktion der SZ fasste die Situation wie folgt zusammen: „Der Brexit schafft zwar wirtschaftliche Verluste, ist aber keine Gefahr für uns.“
Beruhigend wirkte auch die Analyse des Brüsseler Wirtschaftsvertreters Dr. Mathias Dubbert. Zwar gebe es wirtschaftliche Verluste, man spreche allerdings miteinander und suche nach Lösungen: „Die Unsicherheit, wie die künftigen Beziehungen aussehen, schafft vor allem Investitionszurückhaltungen. Aber der große Schock der ersten Tage ist genommen. Jetzt warten wir auf die Ergebnisse der Gespräche“, so der Vertreter des Dachverbands der Industrie- und Handelskammern.
Dass diese Verluste im Außenhandel besonders auch die ostwestfälischen Unternehmen fürchten, wurde in der Talkrunde mit den Unternehmern Dr. Ralf Becker, Oliver Kleine und Sabine Hartmann deutlich. Die Unternehmer zeigten sich besorgt: Auf die Frage, ob man in Zukunft denn Teile des Geschäftes auf Großbritannien konzentrieren werde, verneinten dies alle drei vehement.
Dieser Dynamik der Unsicherheit versuchte Paderborns Bürgermeister Michael Dreier zu begegnen. Er betonte die besonders enge Beziehung Paderborns mit Großbritannien und appellierte: „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit muss unsere Beziehung weiter prägen. Für diese Veranstaltung bin ich deshalb besonders dankbar.“
Dieser Auffassung schloss sich der Diplomat Tony Sims an. Auch er unterstrich die besondere Beziehung OWLs und Großbritanniens – so flössen ein Drittel des britischen Fremdinvestments in die Region und in Firmen wie Bertelsmann und Miele.
Er sprach sich gerade in Anbetracht der noch unsicheren Verhandlungen dafür aus „alle Gesprächskanäle“ offen zu halten – „nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die kulturellen, politischen und wissenschaftlichen“.
Auf konkrete Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen dürfen alle Beteiligten erst in den nächsten Monaten hoffen. Die Gespräche zum Austrittsgesuch zwischen der EU und Großbritannien sind in der vergangenen Woche gestartet. Bis spätestens März 2019 sollen die Ergebnisse vorliegen.