Bändiger der Börse

Artikel aus der Wirtschaftswoche, Ausgabe 10 vom 1. März 2024

Die besten Geldmanager vermehren das Geld ihrer Kunden auch in unsicheren Zeiten.
Welche Profis dabei besonders erfolgreich waren – und was sie jetzt empfehlen.

Im Februar gab es ein Ereignis, das weltweit so viel Aufmerksamkeit erregte wie sonst nur das Endspiel der amerikanischen Football-Profiliga, der Superbowl, oder Zinsentscheidungen von Notenbanken: Der US-Chipkonzern Nvidia gab seine Zahlen für das vierte Geschäftsquartal 2023 bekannt.

Johannes Hirsch hatte an dem Tag nicht vor, sich extra dafür an seinen Rechner zu setzen. Dann konnte es der Chef der Vermögensverwaltung antea aber doch nicht lassen, pünktlich den US-Fernsehsender CNBC einzuschalten. Was er sah, war schlicht beeindruckend: Bei einem Umsatz von 22 Milliarden Dollar erzielte Nvidia einen Gewinn von 12 Milliarden Dollar. Die anschließende Kursrally ließ den Börsenwert des Unternehmens an einem Tag um 277 Milliarden Dollar auf zwei Billionen Dollar steigen. Für Hirsch ist klar: „Die Börsen sind in einem wahrlich extremen Zustand. Die Nvidia-Zahlen sind der Beweis.”  

In alle Richtungen blicken

Hirsch, graues Haar, schlanke Statur, vornehmes Auftreten, betont stets die Bedeutung einer diversifizierten Anlagestrategie. Die einzelne Aktie sei nicht so entscheidend, ist er überzeugt. Wichtig sei vielmehr die richtige Verteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen – wie bei einer Suche nach einer Spielaufstellung im Sport, mit der jeder Angriff aufs Vermögen gekontert werden soll. Der weite Blick in alle Richtungen helfe in Ausnahmesituationen, Hektik und Panik zu vermeiden, ist Hirsch überzeugt.

Auf dem Kapitalmarkt geschah zuletzt das Gegenteil: Der eingeschränkte Blick dominierte. Dass der Tagesanstieg einer Aktie den gesamten Börsenwert des wertvollsten Dax-Unternehmens SAP weit übertraf, verblüffte selbst den Routinier. Von dem Hype um diese Zahlen hat er profitiert, weil er Aktien des Unternehmens in seinem Portfolio hält. Aber er hätte auch den Kopf hingehalten, wenn es anders gekommen wäre.

Hirschs Büro in einem alten Kontorhaus, mit schmucker Sandsteinfassade und dem alten Paternoster neben dem modernen Aufzug, ist standesgemäß. Es liegt unweit der Binnenalster an der Hamburger Luxusmeile Neuer Wall. In der Nachbarschaft nehmen auch die Boutiquen gehypter Edelmarken wie Bottega Veneta, Burberry und Ami das Geld der Vermögenden gerne an. Die gibt es in Hamburg reichlich: Keine Stadt in Deutschland hat so viele Einkommensmillionäre wie die Alstermetropole.

Otto, Herz, Bauer, Fielmann – viele vermögende Familien des Landes sind in Hamburg zu Hause. Selten plagen Geldsorgen die Klientel der Vermögensverwalter. Sie bekommen – wie Hirsch – häufig in erster Linie den Auftrag, das anvertraute Vermögen zu erhalten. Im Moment heißt das, mindestens die Inflation dauerhaft zu schlagen.

Warum muss es manchmal ein Vermögensverwalter sein, wenn Anleger mit Fonds oder ETFs doch auch vieles selbst machen könnten? Manche Vermögende belastet die Verantwortung für die eigene Geldanlage. Niemand möchte die Familie mit selbst verschuldeten Verlusten enttäuschen. Geld macht glücklich, wenn man es im Griff hat oder in guten Händen weiß.

Die WirtschaftsWoche und MMD Analyse & Advisory haben ein Ranking der besten Vermögensverwalter anhand von Fonds erstellt, die wie eine Vermögensverwaltung anlegen. Drei Kategorien stehen hierbei im Mittelpunkt: Hirsch schafft es mit seinem Portfolio in der Kategorie Ausgewogen auf den vierten von insgesamt 403 Plätzen. Die Bewertung berücksichtigt neben der Rendite auch Risikokriterien, wie die Schwankungsbreite und maximale Verluste des Portfolios. Hirschs Strategie umfasst ein breites Spektrum von Anlagen, darunter Aktien, Immobilienbeteiligungen, Private-Equity-Fonds, Rohstoffe, Anleihen und Gold. Vorsichtige Anleger sind hier richtig.

Wer höhere zwischenzeitliche Kursverluste akzeptieren kann, ist in der Kategorie Dynamisch besser aufgehoben. Das Siegerportfolio liefert hier der Vermögensverwalter Quantex aus Zürich mit einem Portfolio, das Ende 2020 gestartet ist. Den düsteren Nachrichten aus Politik und Wirtschaft in den vergangenen Wochen zum Trotz konnte zumindest der Blick ins Depot so manchen Anleger erfreuen. Rekordstände gab es bei Aktienindizes wie dem deutschen Dax, dem amerikanischen S& P 500, dem technologielastigen Nasdaq 100 und dem japanischen Nikkei. Letzterer hat sogar den alten Höchststand des Jahres 1989 geknackt.

Profi und Wegweiser

Wie es weitergeht, ist ungewiss. Der Vermögensverwalter soll den richtigen Weg finden. Das ist jedenfalls ein Verkaufsargument der Branche. Die aktuelle Marktstimmung wird mit der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende verglichen. Doch es gibt auch deutliche Unterschiede. Die Spekulation konzentriert sich heute zwar auf wenige große Technologieunternehmen, aber die meisten von ihnen sind hochprofitabel. Eine Blasenbildung wird derzeit auch nicht durch übertriebene Spekulation auf Pump oder billiges Geld angeheizt.

Dennoch bleiben die Märkte volatil, beeinflusst durch geopolitische Spannungen, die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen, die ungewisse Zinsentwicklung, hartnäckige Inflation und wirtschaftliche Unsicherheit. Was daraus folgt, kann niemand sagen. Suchen Anleger aus Angst vor einer Eskalation durch Kriege oder andere Katastrophen sichere Häfen? Oder strömt weiterhin Geld an die Börse, weil Zinsängste schwinden und Anleihen wieder unattraktiver werden?

Um ihre Kunden bestmöglich zu schützen, müssen sich die Profis auf alle Eventualitäten vorbereiten. Fünf von ihnen stellt die WirtschaftsWoche vor. Sie alle haben unterschiedliche Ansätze, aber ihren Erfolg schon über Jahre nachgewiesen. Viele ihrer Kunden kennen sie noch persönlich. Sie haben sich vielfach mit ihrer Tätigkeit als Vermögensverwalter ein Lebenswerk geschaffen und damit das ihrer Kunden verteidigt.  

Erzählen Bilanzkennzahlen die ganze Geschichte?

Peter Frech hat als Vermögensverwalter die ganze Welt im Blick. Mehr als 3000 Unternehmen gehören zum Kosmos des Schweizers. Für seine Depots lässt er ihn auf rund 40 Aktien schrumpfen. Dazu mischt er Anleihen, Rohstoffe und Gold. Die Auswahl, die Frech in seinem Quantex-Portfolio getroffen hat, hat ihm den Spitzenplatz im diesjährigen Ranking eingebracht. Und zwar in der Kategorie Dynamisch. Seine Performance ist mit 36,4 Prozent Wertzuwachs in drei Jahren vielleicht nicht die beste. Incrementum aus Liechtenstein erreichte fast doppelt so viel. Aber bei dem Portfolio der Konkurrenz waren zwischenzeitliche Kursschwankungen und Verluste mehr als doppelt so hoch. Deshalb liegt seine Vermögensverwaltungsgesellschaft Quantex in der Gesamtwertung ganz vorne. Und Incrementum nur auf Rang elf.

Jede Anlageform hat in den Depots der Vermögensverwalter einen klaren Zweck. Aktien bringen Schwung, Anleihen stehen für Stabilität, Rohstoffe und Gold sichern gegen Inflation ab. Frech geht bei der Aktienauswahl anders vor als manche seiner Konkurrenten. Zwar hat der Vermögensverwalter Psychologie studiert und nicht etwa BWL. Trotzdem setzt er nur auf harte Zahlen. Keine Investorenkonferenz, kein Treffen mit Unternehmenschefs spielt für ihn eine Rolle. Entweder die Zahlen sprechen für sich – oder Frech lässt die Finger von den Aktien.

Sein Computer spürt Unternehmen auf, die in einem Jahr das meiste Geld erwirtschaftet haben – das ihnen nun zur freien Verfügung steht –, die also über einen besonders hohen freien Cashflow verfügen. Anschließend prüft sein Team, wie das Unternehmen mit dem verdienten Geld umgeht. „Je mehr über Dividenden, Aktienrückkäufe oder Kredittilgung zurückfließt, desto besser”, sagt Frech. Als Minderheitsaktionär werde man dann belohnt und sei nicht „der nützliche Idiot”.

Schutz vor Betrug

Schüttet ein Unternehmen Geld aus, muss es das zuvor irgendwo verdient haben. Ausschüttungen senkten damit auch die Gefahr, einem Betrug aufzusitzen, ist Frech überzeugt. Der Skandal um Wirecard ist für ihn ein warnendes Beispiel. Der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München nahm trotz ausgewiesener Gewinne immer mehr Schulden auf und zahlte mickrige Dividenden. Sie hätten sich so selbst entlarvt, meint Frech. „Es ergab alles keinen Sinn, denn für ihr Wachstum brauchten sie nicht viel Kapital.” Quantex hatte ein ähnliches Muster beim Biogemüseproduzenten Chaoda Modern Agriculture aus China festgestellt. Auch der entpuppte sich als Betrug.

„Märchenaktien” nennt Frech die Titel von Unternehmen, die Geschäfte mit blühender Fantasie anreichern müssten, weil der Cashflow fehlte. Hoch verschuldete Unternehmen mit zyklischem Geschäft haben ebenfalls eine Chance im Depot. Notfalls verkauft Frech Aktien schnell, um einen Totalverlust zu vermeiden. Den israelischen Hersteller von Hautglättungsgeräten, InMode, hatte der Computer noch im Dezember als investierbar ausgewiesen. Seit Januar gab es Zweifel an der Qualität der Produkte und des Managements. Frech gibt zu, dass er nicht tief in die Analyse einsteigt. Lieber wurde er die Aktie schnell los.

Viele Aktien von Öl- und  Tabakkonzernen erfüllen derzeit Frechs Kriterien. Sie seien im Vergleich zum freien Cashflow „zu billig”. Unter dem Druck der EU zur Nachhaltigkeit mussten sich manche Anleger von solchen Investments verabschieden. Frech konnte die Aktien zu Schnäppchenpreisen aufsammeln. Für die brasilianische Petrobras zahlen Anleger nur das Vierfache des für 2024 erwarteten Gewinns. Mit Blick auf Tabak werden seit einiger Zeit zwar weniger Zigaretten verkauft. Hohe Preise fangen den Rückgang aber auf. In vielen Ländern setzen sich außerdem tabakfreie Nikotinbeutel durch, die in Deutschland noch verboten sind.

Gerade ist Quantex in Aktien von Allison Transmission eingestiegen. Das US-Unternehmen produziert Getriebe für Nutz- und Militärfahrzeuge. Letztere machen aber nur fünf Prozent des Geschäfts aus. Rüstungsaktien hatten sich bislang bei seiner Auswahl nie hervorgetan, sagt Frech. Das Geschäft sei zu kapitalintensiv. Rüstungshersteller investierten zunächst Milliarden, um steigende Auftragsbestände abzuarbeiten. „Wie viel Cashflow letztlich bleibt, wird sich zeigen”, sagt Frech.

Die niedrige Bewertung und gleichzeitig hohe Finanzkraft der Unternehmen im Portfolio war ein Schutz vor Verlusten, als die Zinsen 2022 stark gestiegen sind. Mit zwölf Prozent Plus lockte es in dem Jahr neue Investoren. Mancher habe seither aber die Geduld verloren, berichtet Frech: Seit Ende 2022 bewegt sich der Kurs seitwärts. Auch das ist für ihn nicht neu. Erfolg brauche Zeit. In solchen Momenten ist er froh, in einem kleinen Team zu arbeiten. „In großen Häusern redet zu schnell jemand rein.”  

Ist es abseits der Herde an der Börse sicherer?

Etwa drei Jahrzehnte Lebens- und Börsenerfahrung trennen Peter Frech und Peter E. Huber. Bei der Aktienauswahl gehen die Vermögensverwalter von Quantex und Taunus Trust trotzdem ähnlich vor. Beide haben die Gelder ihrer Anleger in drei Jahren um ein Drittel erhöht, bei relativ niedrigen Kursbewegungen. Beide konzentrieren sich auf Unternehmenszahlen und wollen Aktien günstig kaufen – in der Tradition des Value-Investings, mit dem Warren Buffett zu einem der reichsten Menschen der Welt geworden ist. Huber und Frech grasen dazu abseits der Kapitalmarktmeute. Das zeigt sich daran, dass sie keine der sieben gehypten US-Technologieaktien im Depot haben. Spitzenergebnisse waren bei ihnen auch ohne Microsoft, Nvidia und Co. möglich. Dafür brauchen sie allerdings einen starken Charakter: In manchen Boomzeiten werden sie vom Markt abgehängt.

Die  Unterschiede in den Strategien zeigen sich im Detail. Huber setzt auf seine 3U-Strategie: Er sucht Aktien, die bei anderen Investoren unbeliebt und in ihren Depots untergewichtet sind und die er für unterbewertet hält. Als früher Investor in diesen Titeln sollte Huber überproportional profitieren, wenn auch andere Kapitalmarktakteure die Aktien entdecken. Mehrere seiner Ideen haben zuletzt gut funktioniert. Huber hatte schon im Jahr 2022 deutsche und japanische Aktien und 2021 auch Öltitel gekauft. Statt auf teure US-Aktien zu setzen, hat er sich stärker nach Europa und Asien orientiert.

Um den Grund für einen niedrigen Börsenwert herauszufinden und von nervösen Kapitalmärkten zu profitieren, braucht Huber Ruhe. Er ist kein Einzelgänger, doch er zieht sich trotzdem gerne in sein weitläufiges Anwesen im Taunus zurück. Viele Stunden verbringt er dort mit der Lektüre von Zeitungen und Unternehmensberichten. Dabei kann er vom großzügigen Eckbüro aus den Blick schweifen lassen über Streuobstwiesen. Im Homeoffice neben ihm arbeitet seine Frau. Auf Spaziergängen begleitet ihn seine Mischlingshündin Peppie.

Unterstützt wird Huber bei Taunus Trust von David Meyer und Norbert Keimling. Natürlich sei der Kapitalmarkt wettbewerbsintensiv, es gebe viele schlaue Leute am Kapitalmarkt, sagt Meyer. Aber rund ein halbes Jahrhundert Börsenerfahrung von Huber mache viel aus. „Er erkennt die  Zusammenhänge schnell, weil die Menschen in vergleichbaren Situationen ähnlich ticken”, sagt Meyer. Im Oktober 2022, „als alle dachten, hier geht das Licht aus”, wie Huber sagt,  hatten sie verstärkt in deutsche Aktien investiert. Er erinnert sich, wie es auf Twitter damals hieß: „Das ist viel zu früh” oder „da muss man noch sechs Monate warten”. Rund 40 Prozent hat der Dax seither zugelegt.  

Günstig bei Aktien und Kosten

Oft genug übt sich das Trio in Geduld. Sie haben keinen Druck, die üppige Liquidität von etwa 15 Prozent schnell in Aktien zu investieren. Die Risiken der Strategie reduziert das Team: Keine der rund 100 Aktien im Depot hat einen Anteil von über zwei Prozent. Fällt der Kurs weiter, hinterlässt das keine massiven Verluste. Gewöhnlich aber sacken Aktien, die schon günstig waren, gar nicht mehr so stark ab wie teurere. Mit Blick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis kosten Hubers Aktien im Schnitt nur halb so viel wie Aktien aus dem Index MSCI World. Und für die Dienstleistung zahlen Anleger auch nur 0,9 Prozent, womit das Portfolio eines der günstigsten im Ranking ist.

Etwas von diesem, etwas von jenem; das ist Hubers Strategie, um seine vermögenden Kunden vor Rückschlägen zu schützen – woher sie auch kommen mögen. Wohl noch für längere Zeit wird Huber die Aktie von Bayer beschäftigen. Als Mitte Februar die Dividende gestrichen wurde, sank der Kurs zeitweise auf 27 Euro. Huber hatte fast das Doppelte bezahlt. Das Pharma- und Agrargeschäft hält er für zukunftsfähig, vergleichbare Geschäftsmodelle seien viel teurer. Dass es nach der Dividendenstreichung nicht noch weiter runterging, wertet Huber als positives Signal. „Es ist erkennbar, dass der neue Chef die Probleme anpackt, und da ist es verständlich, dass er Arbeitnehmern und Investoren Härten zumutet.”

Auf Aktien lässt er trotzdem nichts kommen – als Sachwerte blieben sie gefragt. Wenn Investoren die hohe Staatsverschuldung nicht mehr mittragen und nur die Notenbanken als Retter eintreten könnten, gäbe es eine Flucht in Sachwerte. Diese Krise sei vorhersehbar.  

Wie arbeitet es sich im Schatten eines Starmanagers?

Geht es in Köln um Geldanlage, fällt immer nur ein Name: Flossbach von Storch. Der Gigant unter den Vermögensverwaltern lenkt mehr als 80 Milliarden Euro Anlegergeld, beschäftigt rund 300 Mitarbeiter und meldete zuletzt für das Jahr 2022 einen Gewinn von 256 Millionen Euro. In der Finanzszene hat der Name Bert Flossbach einen Ruf wie Donnerhall. Tritt er bei Kongressen auf, lauschen Tausende. „Wir haben keinen solchen Unterhaltungswert, aber auch keine Minderwertigkeitskomplexe und empfinden gar keinen Neid”, sagt Andreas Winterberg. „Mer muss och jünne künne”, heiße es auf Kölsch. Mit Andreas Seelmeyer hat er vor zehn Jahren eine eigene Vermögensverwaltung gegründet. Vor 35 Jahren haben Winterberg und Seelmeyer ihre Bankkarriere begonnen und sich auf Vermögensverwaltung spezialisiert. Vor ihrer Selbstständigkeit hat das Duo bei der Kölner Bank Sal. Oppenheim zusammengearbeitet. Als ihre eigenen Chefs lenken sie die Gelder der Kunden so, wie es ihnen am besten passt – und den Kunden in ihren Augen am ehesten dient: aktiv, aber unaufgeregt, ohne Experimente. Nur Aktien und Anleihen, keine Derivate, keine anderen Fonds. „Das Vertrauen der Kunden wollen wir nicht weiterreichen und auch unsere Verantwortung nicht abgeben”, sagt Winterberg.

Anlageschwerpunkte sind die USA und Europa. Um Aktien, die sie für überbewertet halten,  machen sie einen Bogen. Microsoft und Alphabet passen aber in ihr Beuteschema, das sich ebenfalls am Value-Ansatz von Warren Buffett orientiert. 50 Prozent des Fondsvermögens machen die Branchen Gesundheit sowie Verbrauchsgüter des täglichen Bedarfs aus, dazu zählen etwa Lebens-, Genuss- und Wasch- und Körperpflegemittel. Die holen sie sich über Aktien von der amerikanischen Colgate-Palmolive, dem schwedischen Zewa-Rollen- und Tempo-Hersteller Essity sowie dem dänischen Diabetes- und Schlankheitsspritzen-Hersteller Novo Nordisk ins Depot. Die Titel sind eine relativ sichere Wahl und dividendenstark. Niedergelassen hat sich das Duo in einem urbanen Büroviertel direkt am Rheinufer an der früheren Agrippinawerft. Die drei markanten Kranhäuser, die jeder sieht, der mit dem Zug von Frankfurt nach Köln fährt, sind nebenan. Im gestylten Büro des Duos bieten riesige Fensterfronten einen weiten Blick über den Rhein bis zum gläsernen Triangle-Turm in Deutz, in dem die Konkurrenz arbeitet. Moderne Büromöbel, kombiniert mit antiken Kommoden, helles Dielenparkett sorgen für eine freundliche Atmosphäre.

Seit 2019 wird von hier das Portfolio gemanagt, das den dritten Platz des Rankings in der Kategorie Dynamisch schafft. Das Vorzeigeprodukt von Flossbach kommt in dieser Kategorie nicht unter die Top 20. „Vor dem Erfolg des Hauses ziehen wir aber den Hut”, sagt Seelmeyer. Der Vergleich zwischen ihnen und dem Wettbewerber sei so, als würde man die Hotelkette Marriott mit einem kleinen Privathotel vergleichen. Bei ihnen seien die Kunden persönlich bekannt, man lebe von Empfehlungen. Außerdem wüssten es die Kunden zu schätzen, dass diejenigen, die ihr Vermögen verwalten, Fragen noch persönlich beantworten.

Wie findet man gute Vermögensverwalter?

Klangvolle Namen wie Rothschild & Co, Flossbach von Storch und DJE Kapital lässt Johannes Hirsch für sich arbeiten. Der gebürtige Hamburger stand bei der Gründung seiner Vermögensverwaltung antea vor 22 Jahren vor der Frage, die auch viele Vermögende beschäftigt: Wie finde ich gute Geldverwalter?

Der Name antea kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt „bevor”. Einen Schritt voraus wollte Hirsch auch in der Geldanlage gehen – Neuland betreten. Vorbild war die US-Eliteuniversität Yale, deren Stiftungsgelder auf viele Anlagearten verteilt sind und die damit gute Ergebnisse erzielte. Auch Hirschs Depot ist fein austariert: Durch den breiten Mix gibt es hin und wieder Rückschläge, aber Aktien, Immobilien, Private Equity und Rohstoffe fallen meist nicht zur selben Zeit. Der Anleger kann finanzielle Ziele erreichen, ohne sein Vermögen einem unangemessenen Risiko auszusetzen.

Anlagen und Experten mischen

Dabei wurde Hirsch zum Meister des Delegierens. Einen Teil der Aktien im Depot wählt Flossbach von Storch aus, andere Teile Jens Ehrhardt von DJE Kapital und Hendrik Leber von Acatis, der auch Wald- und Agraraktien übernimmt. Dem Gesamtwerk wird eine Fondshülle übergestülpt, damit Anlegergelder im Sondervermögen vor unberechtigtem Zugriff sicher sind. Bei der Auswahl der Einzeltitel lässt Hirsch den Experten freie Hand. Er weiß, dass er es nicht besser machen könnte.

„Richtig gut” laufen laut Hirsch im antea-Portfolio die unternehmerischen Beteiligungen, also Private Equity, verantwortet von der französischen Bank Rothschild & Co. Die Mindestanlage liegt hier bei fünf Millionen Euro. Zurückgezahlt wird das Geld erst nach vielen Jahren, zwischendurch gibt es Ausschüttungen. Beteiligt ist antea etwa an einem Versicherungsmakler, Autoreparaturservice und dem Träger einer Sonderschule. Die Geschäfte sind kaum konjunkturabhängig. Zwei Sachverständige stellen den Wert regelmäßig fest.

Eine kontinuierliche Bewertung verlangt die Finanzaufsicht auch von den Immobilienbeteiligungen, die Hirsch an den Experten Pascal Seppelfricke ausgelagert hat. Er kauft geschlossene Immobilienfonds aus zweiter Hand. In ihnen stecken Mehrfamilienhäuser, die Deutsche-Bank-Türme in Frankfurt oder die Wandelhalle des Bahnhofs in Hamburg. Verkäufer sind häufig Erben. „Verkäufer und Käufer am Zweitmarkt haben oft ein unterschiedliches Wissen”, sagt Hirsch. Wer die Anteile schnell loswerden wolle, prüfe nicht, ob der Zweitmarktpreis den Immobilienwert spiegelt. Das ist Seppelfrickes Spezialität.

Kündigen musste Hirsch bislang noch keinem aus der Helfer-Truppe. „Die verstehen ihr Handwerk”, sagt er. Und was ist mit Bert Flossbach? Das milliardenschwere Vorzeigeportfolio des Kölners landet im Ranking mit 284 Punkten in der Kategorie Dynamisch nur im Mittelfeld. „Ich hätte mich gewundert, wenn es anders wäre”, sagt Hirsch. Es wäre ein Zeichen gewesen, dass die Kölner etwas an ihrem Konzept geändert hätten – und ein Alarmsignal für Hirsch. Die Schwächephase kann er aber gut erklären: Flossbach setzt auf Aktien von Unternehmen mit regelmäßigen Gewinnen – bei steigenden Zinsen bekommt die Strategie Gegenwind. Der innere Wert einer Aktie wird bestimmt durch den Barwert der künftigen Gewinne. Dieser Barwert, mit heutigen höheren Zinsen abgezinst, ist niedriger als vor der Zinswende 2022. Sobald die Zinsen wieder fielen, glaubt Hirsch, bekäme die Strategie Rückenwind. Er sitzt die Schwäche aus.

Hirsch hat die Prüfung seiner Investmentziele – die sogenannte Due Diligence – ordentlich gemacht. Auch Anlegern rät er, sich gut vorzubereiten, damit die Stärken und Schwächen ihrer Geldmanager sie nicht überraschen. Dabei geht es in der Beziehung zwischen dem Kunden und seinem Vermögensverwalter nicht nur um Performance. Wer das Geld eines Menschen über Jahre verwaltet, baut zwangsläufig eine enge Bindung auf. Hirsch berichtet von einem Kunden, der gesagt haben soll, er könne sonst nur mit seinem Hund über die Geldanlage sprechen, weil sich niemand in seinem Umfeld dafür interessiere. „Es ist auf jeden Fall wichtig, dass die Chemie zwischen Anleger und Geldverwalter stimmt”, sagt Hirsch.  

Vor Fehlern schützen

Bestenfalls hält ein Vermögensverwalter Kunden davon ab, im falschen Moment Verluste zu realisieren, weil die die Bewegungen an der Börse falsch deuten. Aktienkurse befänden sich oft schon lange im Sinkflug, bevor die schlechten Nachrichten kommen. „Es kommt darauf an, was im Aktienkurs schon eingepreist ist”, sagt Hirsch. Liege der Kurs tief am Boden, drohe auch bei einem pessimistischen Ausblick mitunter kein weiterer Rückgang. Bis ein Anleger aus dem Markt aussteigen wolle, hätten die Kurse häufig den Großteil des Rückgangs hinter sich.

Wie lassen sich Rendite und Moral vereinbaren?

Nachhaltige Börsengeschäfte, Anlegen mit ethischen Ansprüchen, Investieren von Kirchengeldern – seit 21 Jahren steht Manuela von Ditfurth hinter einem Portfolio, bei dem Geld und Gewissen zusammenspielen. Der Anstoß kam von der Bank im Bistum Essen. Die Vermögensverwalterin will im Kleinen etwas bewirken. Und das soll sich für Anleger lohnen. Dabei lässt sie sich weder von Greenwashingvorwürfen irritieren noch von Gegnern des ESG-Investing.

Letzteres steht für eine Geldanlage, die in den Kategorien Umwelt (E für Environment), Soziales (S für Social) und gute Unternehmensführung (G für Governance) gewisse Standards erfüllen soll. Dieser Anlageansatz ist zuletzt in die Kritik geraten, vor allem in den USA. Manche US-Bundesstaaten haben Vermögensverwalter, die Öl- oder Kohlekonzerne aus ihrem Anlageuniversum streichen, bei der Geldanlage ausgeschlossen. Auch Ditfurths Arbeitgeber, der US-Fondsriese Invesco, der weltweit 1,4 Billionen Dollar verwaltet, ist im Visier der ESG-Gegner.

Einige Branchen, die in Ditfurths Portfolio ausgeschlossen sind, haben in den vergangenen Jahren hohe Kursgewinne erzielt, etwa Öl, Kohle, Rüstung. Anleihen von Staaten mit Todesstrafe sind auch verboten. Die Balance im Portfolio zu halten fällt ihr trotzdem nicht schwer, es bleibt noch Spielraum für einen breiten Mix.

Ihren Erfolg im Ranking erreicht Ditfurth mit ausgefeilter Technik. Die Aktien wählt ein Computer. Er filtert nach der Bewertung der Unternehmen, ihren Gewinnerwartungen sowie der relativen Entwicklung von Aktien zum Gesamtmarkt. Bei den Anleihen werden ähnliche Kriterien berücksichtigt. Die attraktivsten Titel kommen ins Depot, unabhängig davon, ob die Börse gerade von Angst oder Gier getrieben wird. Auch die Verteilung der Gelder auf Aktien, Anleihen und Währungen lenkt das taktische Modell. Es beurteilt wirtschaftliche Frühindikatoren, die Stimmung der Börsianer und wie risikobereit sie sind. Im Notfall setzt es einen Volatilitätsstopp ein. „Momentan ist das Modell moderat positiv gestimmt für Aktien, die Quote liegt bei 39 Prozent”, sagt sie. Maximal wären 50 Prozent möglich.

Auf das Modell lässt die Vermögensverwalterin nichts kommen. „Es erkennt Marktverwerfungen und kommt nach einer Bremse auch schnell in den Markt zurück.” In puncto Nachhaltigkeit kommt dann doch etwas Bauchgefühl ins Spiel. Ditfurth kann als besonders nachhaltig beurteilte Aktien etwas höher gewichten.

Täglich überwacht sie, ob sich an der Bewertung der Unternehmen nach ESG-Kriterien etwas geändert hat und sie sich dadurch im Nachhaltigkeitsrating von MSCI verschlechtern. „Unser Research hat gezeigt, dass Aktien, deren ESG-Einstufung sich signifikant verschlechtert hat, zu einer länger andauernden schlechteren Wertentwicklung tendieren”, sagt Ditfurth. Deshalb fliegen immer wieder Unternehmen aus ihrem Depot. Bei einer amerikanischen Hotelkette zum Beispiel machte die Analyse Dürrerisiken aus. Doch es gab keine Strategie, wie man Hotels in gefährdeten Regionen schützen wolle.

Gelebt wird Nachhaltigkeit bei Invesco über die Depots hinaus. Im Büro im Frankfurter Westend sammelt das „Green Team” Spenden für ein Projekt. Für die Malteser streichen Mitarbeiter Wohnräume – allerdings nicht in Grün.  

 

Quelle: Wirtschaftswoche Nr. 10, März 2024, Heike Schwerdtfeger

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