Paderborn. Die VerbundVolksbank OWL eG möchte einen wichtigen Beitrag für ein stärkeres Bewusstsein der jüdischen Erinnerungskultur in Paderborn und für das Schicksal der früheren Kaufmannsfamilie Grünebaum schaffen. Gemeinsam mit dem Stadt- und Kreisarchiv Paderborn hat sie eine Ausstellung mit dem Titel „Das Haus Grünebaum im Herzen Paderborns – Großstädtische Warenhausarchitektur mit Geschichte“ konzipiert. Die Exposition wurde am Donnerstagabend im BeratungsCenter der genossenschaftlichen Regionalbank am Neuen Platz in Paderborn eröffnet. Unter den rund 100 Gästen waren auch etwa 30 Nachfahren der Familie Grünebaum, die für die Ausstellungseröffnung extra aus den USA und Israel angereist waren.
Neben der Ausstellung setzt die Bank weitere Akzente in der Aufarbeitung der Historie des Gebäudes. Sie hat das Haus am Rathausplatz 7 offiziell in „Haus Grünebaum“ umbenannt und dort eine neue Bronze-Gedenktafel angebracht. Zudem gibt sie ab dem 25. Juli eine Neuauflage des Buches „Eine vernünftige Auswanderung“ von Dr. Margit Naarmann heraus. „Seit Anfang 2023 ist das Haus Grünebaum im Eigentum unserer Bank. Wir haben dies zum Anlass genommen, uns intensiv mit der bewegten und bewegenden Geschichte dieses Hauses und der jüdischen Familie Grünebaum zu beschäftigen. Die Paderborner Öffentlichkeit hierfür neu zu sensibilisieren, ist uns ein tief empfundenes Anliegen“, betont Ansgar Käter, Vorstandsvorsitzender der VerbundVolksbank OWL.
Die Ausstellung wurde thematisch und inhaltlich von Heike Sondermann, Betreuerin der Kunst- und Kultursammlung der VerbundVolksbank OWL, sowie Andreas Gaidt und Wilhelm Grabe vom Stadt- und Kreisarchiv Paderborn geplant und gestaltet. „Wir haben ganz bewusst Wirtschafts-, Stadt- und Familiengeschichte miteinander verwoben“, so die Ausstellungsmacher, die viele bislang unbekannte Fotografien und Dokumente zusammengestellt und dabei eine Reihe neuer Erkenntnisse zutage gefördert haben. „In enger Zusammenarbeit ist hier eine sehr schöne und wichtige Ausstellung zum Haus Grünebaum entstanden. Ich möchte mich bei allen Beteiligten für ihren großen Einsatz ganz herzlich bedanken“, würdigt Ansgar Käter die engagierte Arbeit der Ausstellungsmacher.
Neben einigen anderen Exponaten wie zeittypischer Kleidung und Kurzfilmen besteht die Ausstellung insbesondere aus 19 Text- und Fototafeln. Sie greifen das jüdische Leben in Paderborn, die Entstehung einer Warenhauskultur in Deutschland, die Geschichte des früheren Kaufhauses Steinberg & Grünebaum und den Neubau des Hauses 1909/10 im Auftrag von Siegmund Grünebaum auf. Ein Schwerpunkt liegt auf der Zeit des Nationalsozialismus. Aufgrund der Verfolgung und der systematischen Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben erkannte die Familie Grünebaum schon Mitte der 1930er Jahre, dass sie in Paderborn beziehungsweise in Deutschland keine Perspektive mehr hatte. Das Kaufhaus wurde 1936 zunächst pachtweise und 1941 durch den Verkauf an die Düsseldorfer Unternehmerfamilie Pötz/Löwe abgegeben.
Des Weiteren schildert die Ausstellung den beschwerlichen Weg der Familie bis zur Emigration in die USA und ihre persönlichen Erlebnisse mit der Arisierung und dem damit verbundenen sozialen Abstieg. Klara Grünebaum, Tochter von Siegmund Grünebaum, schrieb 1966 dem damaligen Paderborner Bürgermeister Christoph Tölle: „Mit all meiner Familie war ich in der Lage, den Schrecken der Hitler-Zeit zu entkommen. Dennoch erkenne ich oft, wie sehr diese Schrecken einen Teil meines persönlichen Wesens in Gefühlen und im Denken unauslöschlich beeinflusst haben.“ Die Ausstellung thematisiert auch, wie das Haus am Rathausplatz 7 nach 1945 kulturell und gewerblich weiter genutzt wurde. Auch die Entstehung einer jüdischen Erinnerungskultur in Paderborn wird thematisiert.
Vor der feierlichen Eröffnung der Ausstellung enthüllte Ansgar Käter zusammen mit der stellvertretenden Bürgermeisterin der Stadt Paderborn, Sabine Kramm sowie Pete Gray, Steve Gray und Tony Gray als Vertreter der Nachfahren der Familie Grünebaum eine von der VerbundVolksbank OWL neu entworfene Bronze-Gedenktafel am Haus Grünebaum, die auch auf die Arisierung des Eigentums der Familie Grünebaum durch das nationalsozialistische Regime hinweist. Hergestellt wurde die Tafel vom Paderborner Unternehmen Cassau. Für die anwesenden Mitglieder der Familie Grünebaum war die Enthüllung ein besonders emotionaler Moment. Stellvertretend für die Enkel des früheren Kaufhausgründers und -betreibers Siegmund Grünebaum erklärt Steve Gray: „Auch wenn niemand von uns jemals in Paderborn gelebt hat, ist die Stadt für unsere ganze Familie mit einem besonderen Gefühl von Heimat verbunden. Wir sind der VerbundVolksbank OWL sehr dankbar für die Aufarbeitung, die namentliche Umbenennung des Hauses und besondere Würdigung unserer Familiengeschichte.“
Um die Erinnerungskultur weiter zu stärken, hat sich die VerbundVolksbank OWL dazu entschlossen, das Gebäude am Rathausplatz 7, welches in Paderborn als „Haus Pötz“ bekannt ist, in „Haus Grünebaum“ umzubenennen. „Auch der Kaufmannsname Steinberg wird mit der wechselvollen Geschichte des Hauses für immer in Verbindung bleiben. Dennoch wollen wir mit der Umbenennung besonders das Wirken der Eigentümerfamilie von Siegmund Grünebaum würdigen, in dessen Auftrag das heutige Gebäude 1909/1910 neu erbaut wurde“, erklärt Ansgar Käter.
Zudem präsentiert die VerbundVolksbank OWL die erste Neuauflage des Buches „Eine vernünftige Auswanderung“. In diesem 2002 erstmals erschienenen Buch schildert die 2016 verstorbene Paderborner Wissenschaftlerin Dr. Margit Naarmann auf eine sehr eindrückliche Weise die Geschichte der Familie Grünebaum. Dr. Naarmann hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, an die jüdische Geschichte zu erinnern, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. „Sie hat uns damit ein wertvolles Erbe und zugleich eine Verpflichtung hinterlassen“, so Ansgar Käter, der sich besonders bei Dr. Benedikt Naarmann, Sohn von Dr. Margit Naarmann, für die Übertragung der Herausgeberrechte an dem Buch bedankt. Die Neuauflage, redaktionell verantwortet durch den Takt-Verlag in Paderborn, ist in einer Auflage von 3.000 Stück erschienen und ab sofort im Paderborner Buchhandel für 20 Euro erhältlich.
Die Ausstellung über das Haus Grünebaum ist bis zum 27. September zu den üblichen Öffnungszeiten im BeratungsCenter am Neuen Platz zugänglich. Zudem ist die Ausstellung auch digital zu erleben, auf dem eigens dafür eingerichteten Instagram-Kanal @haus.gruenebaum. So möchte die VerbundVolksbank OWL explizit auch junge Menschen auf die jüdische Geschichte Paderborns aufmerksam machen.
26. Juli 2024